ABDA-Datenbank: Wenn Medikamente Transportproteine ​​​​beeinflussen (2023)

ABDA-Datenbank

Wenn Medikamente Transportproteine ​​beeinflussen

Von Petra Zagermann-Müncke

Bei pharmakokinetischen Wechselwirkungen denkt man zunächst an die Hemmung oder Induktion von Cytochrom P-450-abhängigen Enzymen. Weniger bekannt ist, dass auch verschiedene Transportproteine ​​eine wichtige Rolle spielen, die den aktiven Transmembrantransport von Wirkstoffmolekülen bewirken.

Medikamente müssen auf ihrem Weg durch den Organismus mehrere zelluläre Barrieren überwinden. Dies geschieht in vielen Fällen durch passive Diffusion, oft aber auch aktiv durch Transportproteine. Bisher wurden mehr als 100 verschiedene Transportproteine ​​aus der Gruppe der ABC-Transporter (aus ATP-Bindungskassette) aus Bakterien, Pilzen sowie pflanzlichen und tierischen Zellen identifiziert. Sie vermitteln unter Verbrauch von ATP den Transport relativ lipophiler, meist basischer bis neutraler Moleküle in den extrazellulären Raum.

Drogentransport nach »draußen«

Der am besten untersuchte ABC-Transporter ist das P-Glykoprotein (P-GP), das beim Menschen vor allem in Ausscheidungsgeweben wie der Schleimhaut des Dünndarms, der Leber und der Nieren, aber auch in Bauchspeicheldrüse, Herz und Gehirn exprimiert wird und in Krebszellen (Tabelle 1). Die Überexpression von P-GP in Tumorzellen ist ein wichtiger Grund für das verminderte Ansprechen auf Zytostatika, die sogenannte Multidrug Resistance (MDR). Auch das MDR-1-Gen, das für P-GP kodiert, ist nach ihr benannt. Das Spektrum der P-GP-Substrate ist sehr breit: Medikamente, Lebensmittelbestandteile, Umweltgifte, Hormone, Aminosäuren, Zucker und Peptide, dh es werden Moleküle von 400 bis etwa 2000 Da transportiert.

Tabelle 1: Lokalisierung und Funktionen von P-Glykoprotein

LokalisierungFunktion
Epithel der DarmschleimhautTransport in das Darmlumen
Biliäre (kanalikuläre) HepatozytenTransport in die Galle
TubulusepithelTransport in das Tubuluslumen
Endothel der zerebralen Blutgefäße (Blut-Hirn-Schranke)Transport vom ZNS ins Blut
TumorzellenTransport aus dem Tumorgewebe ins Blut

P-GP ist wahrscheinlich in der Zellmembran verankert, wobei zwei hydrophobe Molekülteile und zwei hydrophile, zytoplasmatische Bereiche ATP binden. Wenn ein Substrat an die Substratbindungsstelle gekoppelt wird, die als lipophile Tasche angesehen wird, wird die Hydrolyse von ATP ausgelöst. Dadurch verändert sich die Konformation von P-GP und es entsteht ein Kanal, durch den das Substrat in den extrazellulären Raum gelangt (»Effluxpumpe«). Die Aktivität von P-GP verringert folglich die enterale Arzneimittelabsorption, die renale und biliäre Ausscheidung wird erhöht. P-GP schützt somit den Organismus vor potentiell toxischen Fremdstoffen und verhindert beispielsweise auch die Anreicherung von Fremdstoffen im Gehirn (Blut-Hirn-Schranke). Genetische MDR-1-Polymorphismen können sowohl die Transportfunktion als auch die Expression von P-GP verändern. Aus diesem Grund können die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Arzneimitteln, die Substrate von P-GP sind, von Person zu Person variieren.

Wechselwirkungen mit P-Glykoprotein

P-GP kann sowohl gehemmt als auch induziert werden, wobei Substrate von P-GP oft auch Substrate von CYP3A4 sind (Tabelle 2). Offenbar werden die Expression und Aktivität beider Proteine ​​teilweise durch die gleichen Mechanismen reguliert. Dies erschwert die Abgrenzung der Effekte: Einige der Wechselwirkungen, für die zunächst ein Angriff auf CYP3A4 verantwortlich gemacht wurde, können auch durch Interferenz mit P-GP oder durch beide Mechanismen verursacht werden.

Tabelle 2: Substrate, Induktoren und Inhibitoren von P-Glykoprotein

SubstratInduktorenInhibitoren
Betablocker:
Carvedilol, Celiprolol, Talinolol,
Calciumantagonisten:
Diltiazem, Nicardipin, Verapamil
H1-Blockierer:
Fexofenadin, Terfenadin
HIV-Protease-Inhibitor:
Indinavir, Nelfinavir, Ritonavir, Saquinavir
Steroide:
endogenes Steroidhormon, Dexamethason
Immunsuppressiva:
Ciclosporin, Sirolimus, Tacrolimus,
Zytostatika:
Doxorubicin, Etoposid, Mitomycin, Mitoxantron, Paclitaxel, Teniposid, Vinca-Alkaloide
Andere:
Chlorpromazin, Colchicin, Digoxin, Furosemid, Loperamid, Methadon, Midazolam, Phenytoin, Quetiapin, Rifampicin, Simvastatin
Dexamethason
Doxorubicin
Flavonoide (Kampherol, Quercetin)
Johanniskräuter
Phenobarbital
Phenytoin
Rifampicin
Vinblastin
Antiarrhythmika:
Amiodaron, Chinidin, Lidocain,
Antimykotikum:
Itraconazol, Ketoconazol
Calciumantagonisten:
Diltiazem, Felodipin, Nicardipin, Nifedipin, Nitrendipin, Verapamil
HIV-Protease-Inhibitor:
Indinavir, Nelfinavir, Ritonavir, Saquinavir
Steroide:
Ethinylestradiol, Norgestrel, Progesteron, Testosteron
Immunsuppressiva:
Ciclosporin, Tacrolimus
Makrolid-Antibiotika:
Clarithromycin, Erythromycin
Andere:
Mifepriston, Paroxetin, Talinolol, Tamoxifen, Terfenadin, Trifluoperazin, Vincristin

Bei gleichzeitiger Gabe eines P-GP-Substrats und eines P-GP-Inhibitors ist mit einer erhöhten Bioverfügbarkeit des P-GP-Substrats zu rechnen. P-GP-Substrate können sich auch im Sinne eines kompetitiven Antagonismus gegenseitig beeinflussen. Klinische Auswirkungen hat dies vor allem bei Arzneimitteln mit geringer therapeutischer Breite, bei denen bereits moderate Erhöhungen der Plasmakonzentration toxische Wirkungen hervorrufen.

Digoxin-Chinidin

Die seit langem bekannte Wechselwirkung zwischen Digoxin und Chinidin beruht auf einer Hemmung von P-GP: Bei fast allen mit Digoxin behandelten Patienten wird die Digoxin-Clearance im Laufe von ein bis sieben Tagen nach Beginn der Behandlung signifikant reduziert Chinidin-Behandlung. Digoxin-Intoxikationen mit Herzrhythmusstörungen (Kammerextrasystolen, Kammerflattern und -flimmern, Asystolie) sowie gastrointestinalen und neurotoxischen Symptomen (Schwindel, Müdigkeit, Farbensehen, Gesichtsfeldausfälle) können auftreten. Denn Chinidin ist ein Inhibitor von P-GP und reduziert somit die renale und biliäre Clearance von Digoxin. Dadurch kann sich die Plasmakonzentration von Digoxin mehr als verdoppeln. Das Ausmaß des Konzentrationsanstiegs ist individuell unterschiedlich und hängt auch von der Chinidindosis bzw. Plasmakonzentration ab. Patienten, die gleichzeitig mit Digoxin und Chinidin behandelt werden, sollten daher während der ersten Woche der Kombinationstherapie auf Anzeichen einer Digoxin-Intoxikation überwacht werden. Der behandelnde Arzt muss die Digoxinkonzentration sorgfältig überwachen. Zu Beginn einer Chinidin-Therapie wurde sogar empfohlen, die Digoxin-Dosis zu halbieren. Aber auch in diesem Fall sind eine intensive Überwachung und eventuelle Dosisanpassungen notwendig.

Loperamid dringt in das ZNS ein

Der Opioidrezeptoragonist Loperamid bindet an zentrale und periphere Opioidrezeptoren. Als P-GP-Substrat erreicht Loperamid jedoch das ZNS nicht in einem nennenswerten Ausmaß, da es durch P-GP effektiv aus diesem ausgeschieden wird. Daher wirkt Loperamid nur auf periphere (enterale) Opioidrezeptoren und hat normalerweise keine unerwünschten zentralen Wirkungen. Bei gleichzeitiger Anwendung mit P-GP-Hemmern (Chinidin, Ketoconazol, Ritonavir, Verapamil) können jedoch verstärkte zentrale Wirkungen von Loperamid nicht ausgeschlossen werden. Unter experimentellen Bedingungen wurden Anzeichen einer beeinträchtigten Atmung gemessen.

Bei gleichzeitiger Behandlung mit den betroffenen P-GP-Hemmern sollte vorsorglich auf opioidähnliche Nebenwirkungen von Loperamid, insbesondere Atemdepression, geachtet werden. Risikofaktoren sind hohe Loperamid-Dosen und eingeschränkte Atemfunktion.

Interaktionskandidat Johanniskraut

Seit etwa acht Jahren werden immer mehr klinisch relevante Wechselwirkungen mit Johanniskraut (Hypericum perforatum L.) bekannt (Tabelle 3). Inzwischen ist nachgewiesen, dass Johanniskraut sowohl Cytochrom P-450 Isoenzyme, insbesondere CYP3A4, als auch P-GP induziert. Welche einzelnen Bestandteile des Johanniskrauts dafür verantwortlich sind, ist noch nicht geklärt: Einige Studien weisen darauf hin, dass Hyperforin, Hypericin und bestimmte Flavonoide eine Rolle spielen.

Tabelle 3: Wechselwirkungen in der ABDA-Datenbank, die vermutlich auf eine P-Glykoprotein-Hemmung zurückzuführen sind

P-GP-SubstratP-GP-InhibitorEffekte (Boost)
ChinidinAzol-Antimykotikaverstärkte Wirkung von Digoxin - Gefahr einer Digoxinvergiftung
Digoxin und DerivateAzol-Antimykotikaverstärkte Wirkungen von Chinidin; erhöhtes Risiko für Torsades de Pointes
HerzglykosidBetablockerverstärkte Bradykardie, erschwerte Leitung am AV-Knoten
Digoxin und DerivateChinidinGefahr einer Digoxin-Vergiftung
Digoxin und DerivateCholesterin-Synthese-Hemmererhöhte Plasmakonzentration von Digoxin
Anthrazyklinciclosporinverstärkte Wirkung der Anthrazykline möglich
Sirolimusciclosporinerhöhte Bioverfügbarkeit von Sirolimus
ColchicinCiclosporin; TacrolimusErhöhte Toxizität: Myopathie, Nephro- und Hepatotoxizität
Immunsuppressiva (Ciclosporin, Everolimus, Sirolimus, Ta-crolimus)HIV-Protease-Inhibitorenerhöhte Toxizität von Immunsuppressiva
DarifenacinInhibitoren von P-GPverstärkte Wirkung von Darifenacin möglich
LoperamidInhibitoren von P-GPverstärkte Wirkung von Loperamid, Atemdepression möglich
ColchicinMakrolide-AntibiotikaGefahr einer Colchicinvergiftung
Digoxin und DerivateMakrolide-Antibiotikaverstärkte Wirkung von Digoxin - Gefahr einer Digoxinvergiftung
Digoxin und DerivatePropafenonverstärkte Wirkung von Digoxin - Gefahr einer Digoxinvergiftung
Digoxin und DerivateRitonavirverstärkte Wirkung von Digoxin - Gefahr einer Digoxinvergiftung

Multidrug Resistance Related Protein

Auch die verschiedenen Typen des Multidrug Resistance Related Protein (MRP) gehören zu den ABC-Transportern und benötigen ATP. Sie sind an der biliären Ausscheidung von mit Glutathion, Glucuronsäure oder Schwefelsäure konjugierten Fremdstoffen sowie nicht konjugierten Arzneimitteln wie Pravastatin, Furosemid und Methotrexat beteiligt. Eine schwere Dysfunktion von MRP2 führt zum Dubin-Johnson-Syndrom, einer seltenen autosomal-rezessiven Erkrankung, bei der die biliäre Ausscheidung von glucuronidierten organischen Anionen gestört ist. Neben Bilirubin sind auch Gestagene und Östrogene von dieser Ausscheidungsstörung betroffen, weshalb die betroffenen Patientinnen keine hormonellen Verhütungsmittel einnehmen dürfen.

MRP1 wurde in vielen gesunden Geweben außer der Leber nachgewiesen. MRP1 transportiert wie MRP2 konjugierte Fremdstoffe. Beide MRP-Typen sind auch von Polymorphismen betroffen, die die Arzneimittelverfügbarkeit beeinträchtigen und zu Wechselwirkungen prädisponieren können. Die Expression oder Überexpression dieser Transporter kann für eine primäre oder sekundäre Zytostatikaresistenz verantwortlich sein. Über andere Formen der MRP ist wenig bekannt. Probenecid, Indomethacin und Sildenafil scheinen jeweils mehrere dieser Transporter zu hemmen.

Anionen- und Kationentransporter

Viele weitere Transportproteine ​​sind an der Aufnahme, Verteilung und Ausscheidung von Stoffen im Organismus beteiligt. Die sogenannten OATP (Organic Anion Transport Polypeptides) kommen in vielen Geweben vor. Im Gegensatz zu P-GP verbrauchen sie kein ATP. Sie managen beispielsweise den Transport von Gallensäuren und anionischen Medikamenten (Atorvastatin, Pravastatin, Benzylpenicillin, Digoxin, Fexofenadin, Levothyroxin). OATP gibt es in vielen Formen und auch hier kommen Polymorphismen vor.

Ihre Bedeutung für Arzneimittelwechselwirkungen ist nur ansatzweise bekannt. Es wird angenommen, dass einige Penicilline und Probenecid mit Methotrexat um die tubuläre Sekretion durch OATP3 konkurrieren und dadurch dessen Plasmakonzentration erhöhen. Es ist möglich, dass die Hemmung von OATP durch Gemfibrozil bei der Wechselwirkung mit Statinen (Cholesterinsynthesehemmern) eine Rolle spielt.

Es gibt auch eine Gruppe von Kationentransportern, die OCTP (Organic Cation Transport Proteins) genannt werden. Sie bewirken die Ausscheidung oder Resorption von organischen Kationen wie Chinidin, Cimetidin, Procainamid, Vecuronium, Cholin, Kreatin, Dopamin und Epinephrin.

Individualisierte medikamentöse Therapie

Wirksamkeit und Verträglichkeit von Medikamenten sind innerhalb der Bevölkerung sehr unterschiedlich. Bei gleicher Dosierung kann ein Medikament bei einem Patienten unwirksam sein, bei anderen jedoch toxische Reaktionen oder Wechselwirkungen hervorrufen. Diese Unterschiede sind zum Teil auf genetische Polymorphismen zurückzuführen. Nicht nur Varianten in der Aktivität von Cytochrom-P-450-Enzymen, sondern auch von Transportproteinen führen zu individuellen Unterschieden in der Pharmakokinetik eines Arzneimittels.

Allerdings können diese Erkenntnisse derzeit nicht in der medikamentösen Therapie genutzt werden. Bis zum flächendeckenden Einsatz von Gentests, die Rückschlüsse auf das individuelle Ansprechen von Medikamenten zulassen, ist noch ein weiter Weg zu gehen. Die Forschung in diesem Bereich zielt auch darauf ab, diejenigen Patienten im Voraus zu identifizieren, die durch eine mögliche Interaktion gefährdet sind. Mit diesem Wissen könnten Medikamente ausgewählt und dosiert werden, um eine maximale Wirksamkeit und Verträglichkeit zu erreichen. Bei ABDATA Pharma-Data-Service wird diese Entwicklung sorgfältig verfolgt, um frühzeitig Daten für diese individualisierte Arzneimitteltherapie zur Verfügung stellen zu können.

Tabelle 4: Interaktionen in der ABDA-Datenbank, die vermutlich auf der Induktion von P-Glykoprotein beruhen

P-GP-SubstratP-GP-InduktorEffekte (Reduktion)
Antikoagulantien, oralJohanniskräuterReduzierte Wirkung von oralen Antikoagulanzien - Thrombosegefahr
Digoxin und DerivateJohanniskräuterVerringerte Wirksamkeit von Digoxin oder seinen Derivaten möglich
Verhütungsmittel, hormonellJohanniskräuterverminderte empfängnisverhütende Wirksamkeit
Substanzen, die durch Oxidation abgebaut werden (z. B. trizyklische Antidepressiva, Efavirenz, Nevirapin, Omeprazol, Theophyllin)Johanniskräuterverminderte Wirksamkeit der betreffenden Substanzen
Betablocker (Celiprolol, Talinolol)Rifampicinverminderte Wirkung von Betablockern
Digitalis-GlycosidRifamycinverminderte Wirkung von Digitalisglykosiden

Literatur

Beringer, P. M., et al., Transporter und ihre Auswirkungen auf die Medikamentendisposition. Ann Pharmacother 39 (2005) 1097-1108.

Brosi, A., et al., Die Wechselwirkung mit P-Glykoprotein. PZ Prisma 11 (2004) 133-139.

Gerloff, T., et al., Pharmacogenetics of transmembrane transporters. Dtsch Med Wochenschr 128 (2003) 2431-2436.

Gutmann, H., et al., Bedeutung des P-Glykoproteins für die medikamentöse Therapie. Schweiz Apoth Ztg (2002) 576-678.

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Author: Kieth Sipes

Last Updated: 03/17/2023

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